Soziale Teilhabe durch Auslandsaufenthalte - Das Berufsbildungswerk Südhessen ist ein Ort der beruflichen Inklusion

Das Berufsbildungswerk Südhessen (kurz: bbw) ist eine gemeinnützige GmbH mit Sitz in Karben in der Nähe von Frankfurt am Main. Ein zentrales Anliegen des Rehabilitationsträgers ist die Begleitung von jungen Menschen mit Benachteiligung am Übergang von der Schule zum Beruf, während der Ausbildung und bei der nachhaltigen Integration als Fachkräfte in den ersten Arbeitsmarkt. Dafür ermöglicht das bbw seinen Auszubildenden einen Austausch zur Partnerorganisation Wien Work, um Arbeitserfahrungen im europäischen Ausland zu bekommen.

Den Schritt ins Ausland wagen

Mit etwa 280 Mitarbeitenden begleitet das bbw derzeit mehr als 400 junge Menschen während der Ausbildung in über 30 verschiedenen Ausbildungsberufen. Um eine möglichst praxisnahe Ausbildung anzubieten, wird die Ausbildung in eigenen Werkstätten und Ausbildungsbetrieben mit intensiven Ausbildungsphasen in Wirtschaftsbetrieben kombiniert. Die meisten Teilnehmenden sind junge Menschen mit einer Lernbehinderung, einer psychischen Erkrankung oder aus dem Autismus-Spektrum, die aufgrund ihrer Behinderungen meist multiple Hemmnisse aufweisen.

Am Arbeitsmarkt wird es immer wichtiger, auch Erfahrungen außerhalb des eigenen Lehrbetriebes zu sammeln und internationale Berufskompetenzen zu entwickeln. Gerade für junge Menschen mit Beeinträchtigung ist dieser Schritt nicht einfach. Das Mobilitätsprojekt kann nur mit einer guten Partnerorganisation gelingen, die sich in der Arbeit mit dieser Zielgruppe auskennt. Das bbw arbeitet dafür seit langem mit Wien Work in Österreich zusammen. 

Passende Partner finden

Die Auswahl von Partnerorganisationen muss grundsätzlich sehr gut vorbereitet und abgestimmt werden, da als Ziel die Vermittlung von jungen Menschen mit besonderem Förderbedarfen oder Behinderung im Fokus steht. Der Kontakt zwischen dem Berufsbildungswerk Südhessen und Wien Work kam bereits 2008 mittels einer externe Beratungsfirma aus Brüssel zustande. Aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung der Unternehmensinhalte und -ziele erfolgte ein persönliches Treffen auf Leitungsebene. Schnell wurde klar, wie viel Wissenspotential zur gegenseitigen Professionalisierung gegeben war. Seit 2009 gibt es daher einen regelmäßigen fachlichen Austausch auf Leitungs-, auf Mitarbeitenden- und auf Auszubildenden-Ebene.

Bei der Durchführung von Auslandsaufenthalten für Auszubildenden verfügen beide Partnerorganisationen über ergänzendes Know-how zum jeweils anderen System, was die inhaltliche Ausgestaltung der Berufsausbildung stark bereichert. Beispiele für solche Kompetenzerweiterungen sind eine bessere Verzahnung in der Arbeit von jungen und erwachsenen Menschen mit Behinderung oder die Ermöglichung von mehr praxisnaher Ausbildung.

Eine Arbeitschance im Nachbarland

In den letzten beiden Jahren wurden jeweils zwölf Auszubildenden die Möglichkeit eines Auslandsaufenthaltes geboten. Einige von ihnen hatten den Schwerbehindertenstatus mit bis zu 100 Prozent GdB. Die Azubis kamen aus verschiedensten Berufsfeldern: Holz, Farbe, Gastronomie, Textilreinigung sowie dem Grünen Bereich. 

Aufgrund der Beeinträchtigungen wurden die Auszubildenden jeweils von zwei Begleitpersonen pädagogisch und fachlich vor Ort betreut. Die Teilnehmenden des Austausches waren von Beginn an aktiv in die Vorbereitung einbezogen und konnten sich in gemeinsamen Treffen vorab mit beruflichen und kulturellen Anforderungen auseinandersetzen. Neben der inhaltlichen Vorbereitung wurde auch Organisatorisches besprochen, da es für viele die erste größere Reise ins Ausland war.

Internationale Berufskompetenz und berufliche Mobilität bekommen in der heutigen Arbeitswelt einen immer höheren Stellenwert. Gerade für junge Menschen mit Behinderung oder Benachteiligung ist dieser Schritt jedoch nicht immer einfach. Unser Azubi-Austausch ist für unsere Teilnehmende eine einzigartige Erfahrung und ein wichtiger Schritt in der persönlichen Entwicklung, vor allem weil viele das erste Mal ins Ausland fahren." Torsten Denker, Geschäftsführer des Berufsbildungswerk Südhessen

Mehrwert auf verschiedenen Ebenen

Die Ziele des Austausches umfassten drei Bereiche: die fachliche Ebene, die persönliche Ebene und da nochmal differenziert die eigenen Mobilität. Oftmals sind junge Menschen mit besonderem Förderbedarf wie z. B. mit einer psychischen Erkrankung, nicht sehr flexibel und selten mobil. Dieser Zielgruppe die Chance zu ermöglichen, im europäischen Ausland vielfältige Erfahrungen zu machen, hat immense Auswirkungen auf das fachliche und persönliche Auftreten. 

Fachliche Ebene
Durch den Austausch mit den österreichischen Kolleginnen und Kollegen erwarben die Teilnehmenden neue fachliche Kenntnisse und lernten landestypische Fertigkeiten. Sie lernten andere Arbeitsabläufe sowie Einsatzorte kennen. Dies wird sich nachhaltig auf ihre weitere berufliche Flexibilität auswirken, da immer wieder Situationen auf sie zukommen, in denen sie sich an neue Strukturen und Arbeitsabläufe anpassen müssen. 

Persönliche Ebene
Nach Ankunft in Wien und im neuem Arbeitsumfeld mussten sich die Teilnehmenden in unbekannte, bereits bestehende Teams integrieren und sich an neue Gegebenheiten anpassen. Da alle diese Situation meisterten, hat diese positive Erfahrung und die eigenständige Bewältigung der Stresssituation das Selbstbewusstsein der Teilnehmenden gesteigert. Sich selbst als fremd in einer neuen Umgebung zu fühlen, hat außerdem bei vielen zu einem respektvolleren Verhalten gegenüber Menschen mit anderen Nationalitäten und Kulturen geführt.

Mobilität
Die Teilnehmenden konnten hautnah erleben, dass Mobilität auch für sie machbar ist. Alle haben sich erfolgreich in einer fremden Großstadt bewegt. Diese positive Erfahrung konnte das Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten stärken und Ängste abbauen. Mobilität als alltäglicher Bestandteil des Arbeitslebens ist nun etwas selbstverständlicher geworden.

Die erfolgreiche Bewältigung dieses Abenteuers stärkt das Selbstwertgefühl unserer Auszubildenden und genau darauf kommt es an. Dies ist nur ein Beispiel, wie wir im Unternehmen und im täglichen Leben Inklusion umsetzen und wichtige Impulse für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention setzen." Torsten Denker, Geschäftsführer des Berufsbildungswerk Südhessen

Weitere Informationen

Hintergrundinformationen zum Projekt finden Sie auf der Webseite des Berufsbildungswerk Südhessen.

Mehr Informationen zum österreichischen Projektpartner finden Sie auf der Webseite von Wien Work.

Auf unserer Themenseite Inklusion finden Sie weitere Informationen zum Thema.