Grenzenlose Möglichkeiten - Wie der Ausbildungsmarkt für Auslandspraktika sensibilisiert wird

Auslandsaufenthalte zum Arbeiten und Lernen eignen sich hervorragend, um den eigenen Horizont zu erweitern – fachlich wie persönlich. Mit einer finanziellen Förderung durch Erasmus+ und dem Beratungsangebot von Berufsbildung ohne Grenzen erhalten sowohl Auszubildende als auch junge Fachkräfte sowie Ausbilderinnen und Ausbilder die Chance, Auslandserfahrung im beruflichen Kontext zu sammeln.

Eine besondere Bedeutung kommt bei der Verbreitung dieses Themas dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Netzwerk Berufsbildung ohne Grenzen (BoG) zu. Es berät nicht nur Auszubildende, junge Fachkräfte und Berufsbildungspersonal, sondern auch die Betriebe zum Thema Auslandsaufenthalte. Die Beratung ist bei den Industrie- und Handelskammern (IHKs) und den Handwerkskammern (HWKs) angedockt und holt ihre Adressaten dort ab, wo sie stehen.

Zahl der Auslandsaufenthalte steigern

„Wir wollen die Zahl derer, die während ihrer Ausbildung ins Ausland gehen, kontinuierlich steigern. Auch wenn wir die Zehn Prozent-Marke aktuell noch nicht erreicht haben, sind wir diesbezüglich auf einem guten Weg.“, betont Andreas Jörk, Mobilitätsberater von Berufsbildung ohne Grenzen an der Handwerkskammer für Ostthüringen in Gera. Sehr häufig würden die Auslandsaufenthalte mit Unterstützung von Bildungsprogrammen wie Erasmus+ und Ausbildung Weltweit realisiert. Das gelte für rund 80 Prozent der über BoG vermittelten Auslandspraktika.

„Unser Vorteil ist, dass wir nah an der Wirtschaft und den Azubis sind“, beschreibt Jörk. Der direkte Kontakt zu den kleinen und mittelständischen Unternehmen sei wichtig, um für das Thema zu sensibilisieren. Im Fokus stehe dabei die Beratung der Mitgliedsunternehmen, denen vor allem die Idee eines Auslandsaufenthalts und die Möglichkeiten von Erasmus+ aufgezeigt werden. Zugleich richten sich die Aktivitäten jedoch auch direkt an die Auszubildenden, zum Beispiel durch Beratungs- und Informationsarbeit in Schulen.

Durch die Zusammenarbeit zwischen Berufsbildung ohne Grenzen und Erasmus+ ist es möglich, Stipendien in größerem Umfang und in relativ kurzer Zeit zur Verfügung zu stellen. Dazu Andreas Jörk: „Wir als Mobilitätsberater wissen in der Regel, wie wir bestmögliche Bedingungen für die Betriebe und Schulen und damit auch für die Auszubildenden schaffen können. Ohne Programme wie Erasmus+ wäre es für kleine und mittelständische Unternehmen fast unmöglich, Auslandsaufenthalte im Rahmen der beruflichen Ausbildung umzusetzen.“

Besondere Situation in Hessen und Baden-Württemberg

Matthias Werner ist Mobilitätsberater von Berufsbildung ohne Grenzen bei der Handwerkskammer Kassel und verweist darauf, dass die Bundesländer Hessen und Baden-Württemberg ergänzend zu BoG auf Landesebene eigene Programme auf den Weg gebracht haben. In Hessen ist dies die „Mobilitätsberatung der hessischen Wirtschaft" – ein Gemeinschaftsprojekt der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main, der Handwerkskammer Kassel, des Bildungswerks der Hessischen Wirtschaft e.V. und Arbeit und Bildung e.V..

Von dieser Zusammenarbeit hat die Konditorin Ann-Sophie Bayer unmittelbar profitiert. Sie nahm dank Werners Hilfe im Februar 2020 als Auszubildende über Erasmus+ an einer Gruppenentsendung nach Wien teil. „Ich wollte das unbedingt machen, kannte das Programm bis dahin aber gar nicht“, erinnert sie sich. „Ich war damals im dritten Lehrjahr in Fulda. Mein Chef hat mich darauf hingewiesen, weil er wusste, dass es für mich sehr spannend ist, neue Menschen und Kulturen kennenzulernen“.

Ein paar Monate später bekam Ann-Sophie sogar erneut die Gelegenheit dazu. Die Ausbildung hatte sie mittlerweile abgeschlossen, als junge Fachkraft ging die heute 21-Jährige nun für drei Monate nach Kreta, wo sie in einer kleinen Patisserie mitarbeitete. Eine Erfahrung, die sie nicht missen möchte. Im Anschluss an die Meisterprüfung möchte sie sogar noch einmal eine Zeit im Ausland verbringen. Aufgrund von Corona und weil sie mittlerweile eine neue Stelle angetreten hat, bleibt dies zurzeit jedoch noch Zukunftsmusik. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Ann-Sophie Bayer während ihres Auslandsaufenthaltes

Ein funktionierendes Netzwerk

Zurück nach Gera. Hier hatte Andreas Jörk vor einiger Zeit eine Anfrage von einem norwegischen Partner, der einen jungen Industriemechaniker für ein Praktikum nach Thüringen vermitteln wollte. Obwohl es sich nicht um einen Handwerksberuf handelte, fand Jörk einen Platz bei der ELECTRONICON Kondensatoren GmbH und kam so auch mit deren Personalreferentin Ute Rauschenbach ins Gespräch. Diese wiederum war selbst an einem beruflichen Auslandsaufenthalt interessiert. Bei der Umsetzung dieses Wunsches half die gute Vernetzung des thüringischen Mobilitätsberaters. So konnte Rauschenbach gemeinsam mit anderen Ausbilderinnen und Ausbildern an einer über Erasmus+ bezuschussten Berufsbildungsreise nach Schweden partizipieren. Das ermöglichte ihr sowohl Einblicke in die Arbeitsweise und das Ausbildungssystem schwedischer Unternehmen als auch viele interessante Begegnungen. „Zudem konnte ich mir ein Bild davon machen, was unsere eigenen Azubis in schwedischen Gastbetrieben leisten können“, bilanziert sie.  

Das Beispiel verdeutlicht, wie gut das Netzwerk Berufsbildung ohne Grenzen die bestehende Beratungslandschaft um gezielte betriebsnahe Kontaktmöglichkeiten ergänzt. Jeder der Berater und Beraterinnen hat europaweit Kontakte in verschiedenste Länder und Branchen. „Wenn es uns gelingt, uns überregional und branchenübergreifend sinnvoll zu ergänzen und dabei auch die Synergien mit Erasmus+ zu nutzen, entsteht sehr schnell ein enormer Mehrwert“, sind sich Andreas Jörk und Matthias Werner einig.

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Text von Manfred Kasper (Januar 2022)