„Ohne die europäischen Partner im Projekt hätte ich nicht gewusst, wie es weiter gehen soll“ - Interview mit Svitlana Zakrevska von der ukrainischen Erwachsenenbildungsorganisation UNAEDI

Text von Christina Budde | August 2023

Als mitten im Projekt Dialogue in Adult Education (DiA) Russland die Ukraine überfiel, war Svitlana Zakrevska von der ukrainischen Erwachsenenbildungsorganisation UNAEDI unmittelbar betroffen. Was sind ihre Erfahrungen, was ihre Pläne? Die NA beim BIBB fragt nach.

NA beim BIBB: Frau Zakrevska, was war Ihr Part im Projekt DiA?

Svitlana Zakrevska: Wie alle anderen Partnerorganisationen haben wir zunächst unsere Erfahrungen zum Thema Friedensbildung für Erwachsene eingebracht und ausgetauscht. Wir waren sehr schnell auf einer Wellenlänge: alle Organisationen hatten unmittelbar selbst Krieg und Invasion erlebt wie etwa auf Zypern, in Mazedonien oder Kroatien oder mit den Folgen von Flucht und Vertreibung zu tun wie in Polen, Dänemark und Deutschland. Vor der Invasion im Februar 2022 mussten wir selbst zwei Mal mit unserer Organisation aus Donezk in der Ostukraine in das Umland und später nach Kiew flüchten, weil wir persönlich von russischen Invasoren bedroht wurden. De facto begann der Krieg für mich und meine Kollegen damit schon neun Jahre früher, als Russland 2014 die Krim annektierte und Donezk unter russische Kontrolle geriet. Wir erlebten also schon früher, was es heißt, alles zurückzulassen und Flüchtling im eigenen Land zu sein.

Sie haben mutig unter schwierigen Bedingungen weitergearbeitet, teilweise sogar Angebote für Menschen in Bombenschutzunterkünften gemacht. Welches Projekt haben Sie konkret in DiA eingebracht?

Unter anderem das „Forum Theater“. Hier erarbeitet eine Gruppe ein kurzes Theaterstück, das auch aufgeführt wird. Die Beteiligten suchen sich eine Rolle aus und erleben auf diese Weise einen wichtigen Perspektivwechsel. Beispielsweise nehmen Menschen aus der Aufnahmegesellschaft die Rolle von Flüchtlingen ein und umgekehrt. Sie erleben, was es heißt, alles zu verlieren: Familie, Freunde, das Zuhause, Geld, Arbeit, und wie es ist, sich in der Aufnahmegesellschaft nicht auszukennen. Oder umgekehrt, was es heißt, vollkommen fremde Menschen in der eigenen Wohnung zu beherbergen, die zuvor traumatische Erfahrungen gemacht haben.

Was haben Sie in der Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern erlebt?

Schon vor Kriegsbeginn haben wir unglaublich viel voneinander gelernt, nicht nur, was die Methoden der Friedensbildung für Erwachsene angeht. Auch bei den Besuchen in Nikosia, Zypern und Zagreb, Kroatien konnten wir tiefe Einblicke in das bekommen, was Menschen im Krieg und in besetzten Gebieten aushalten müssen. Das ist wichtig für zukünftige Projekte. Dann kam der 24. Februar 2022. Alle Partnerorganisationen haben Unterstützung angeboten, für mich persönlich und auch für UNAEDI – ich hätte sonst nicht gewusst, wie es weiter gehen kann. Deshalb bin ich dankbar, dass wir in DiA eine so verlässliche und vertrauensvolle Partnerschaft über die Grenzen hinweg etablieren konnten.

Frau Zakrevska, Sie haben in den letzten Jahren schon drei Mal erlebt, vor dem Krieg fliehen zu müssen und leben nun in Berlin. Trotz der schlimmen Erfahrungen scheinen Sie voller Energie und Ideen zu sein. Was treibt Sie an?

Es gibt einfach so viel Wichtiges zu tun. UNAEDI macht mit vierzehn Mitarbeitenden weiter in der Ukraine und konzentriert sich auf das Thema „Mentale Gesundheit“, weil nahezu jeder in unserer Gesellschaft traumatisiert ist: entweder durch die unmittelbare Kriegserfahrung oder durch das, was man ein „Zeugentrauma“ nennt und was durch das Zusehen und Miterleben-Müssen von Tod und Zerstörung in den Medien entsteht.

Aus DiA haben sich verschiedene andere Projekte entwickelt. Im ganzen europäischen Feld der Erwachsenenbildung besteht großer Handlungsbedarf. Beispielsweise sind 76 Prozent der geflüchteten Ukrainer*innen höher gebildet. Wenn Ärztinnen als Reinigungskräfte arbeiten müssen, ist das so viel verschwendete Qualifikation. Was kann die europäische Erwachsenenbildung dazu beitragen, dass Integration und letztlich Friedensbildung besser gelingen? Im Austausch mit anderen europäischen Partnern Antworten auf diese wesentlichen Fragen zu finden, das hält meine Motivation aufrecht.