Die Kraft des Dialogs - Wie Erwachsenenbildung dazu beitragen kann, Konflikte zu entschärfen

Text von Christina Budde | August 2023

Das Projekt DiA (Dialogue in Adult Education) hat sich mit Methoden und Beispielen guter Praxis zur Friedensbildung für Erwachsene beschäftigt und unter anderem ein umfangreiches eBook dazu erstellt. Als Anfang 2022 Russland die Ukraine überfiel, bekam das Thema mitten im Projekt besondere Brisanz – eine der Partnerorganisationen stammt von dort.

„Wenn man alles verliert, ist es gut zu wissen, dass man nicht allein ist“, sagt Svitlana Zakrevska, Vertreterin der ukrainischen Partnerorganisation UNAEDI im Projekt DiA, einem der wenigen Erasmus+-Projekte mit außereuropäischer Beteiligung. Sofort und dauerhaft hatten bei Ausbruch des Ukraine-Konflikts alle Partnerorganisationen tatkräftige Unterstützung angeboten. Mittlerweile arbeitet die UNAEDI-Vertreterin sogar im Büro von Martin Barthels Organisation Comparative Research Network e.V. in Berlin.

Methoden zur Friedenserziehung sind für Jugendliche gut erforscht – für Erwachsene nicht

Die DiA-Partnerorganisationen aus Zypern, Mazedonien, Kroatien, Polen, Dänemark und Deutschland stammen aus Ländern, die Konflikte und den Umgang mit Geflüchteten aus Krisenregionen oder mit Binnenflüchtlingen aus eigener Erfahrung kennen. In vielen Ländern existieren gut erfasste und erforschte Ansätze zur Friedensbildung für Kinder und Jugendliche, während Erwachsene bislang weniger im Fokus standen. „Die meisten europäischen Länder stehen jedoch vor der Aufgabe, erwachsene Menschen in ihre Gesellschaft einzubinden, von denen viele traumatisiert sind“, sagt Projektkoordinator Martin Barthel. „Wir wollten deshalb gemeinsam die vorhandenen Methoden sammeln und sichtbar machen, ein Beurteilungsraster für ihre Übertragbarkeit entwickeln und dies schließlich in einem Buch beziehungsweise E-Book allen Interessierten zur Verfügung stellen. Eine interaktive Karte funktioniert zudem wie eine Datenbank und ein methodisches Toolkit“.  

Friedensbildung ist Konfliktprävention, im Großen wie im Kleinen

Das Feld der Friedensbildung ist weit, auch im DiA-Projekt. Es reicht von Methoden, die sich unmittelbar mit der Lösung von Konflikten in Gemeinschaften bis hin zu Methoden, die den oder die Einzelne/n erst einmal in die Lage versetzen, die Perspektive eines anderen Menschen einzunehmen, etwa von Geflüchteten. Grundlegend ist das Ziel, gegenseitiges Verständnis und die Befähigung im sozialen Dialog zu erreichen, sodass Konflikte gar nicht erst entstehen bzw. entschärft werden können.

Berührende Beispiele guter Praxis

Ob Rollenspiel „Konfliktkurve“ oder Lebensgeschichten erzählen bei „Food for thought“: Jede Partnerorganisation hat mehrere Beispiele guter Praxis eingebracht. Der Austausch über die Erfahrungen sei teilweise berührend gewesen, erzählt Projektkoordinator Martin Barthel. Beispielsweise sei die „Männer- und Väter-Gruppe“ der Berliner Organisation „Aufbruch Neukölln“ für einen moslemischen Mann die einzige Möglichkeit gewesen, ohne Tabus über die Scheidung von seiner Frau und die Schwierigkeiten mit seinen Kindern zu sprechen. Er selbst habe berichtet, wie sehr ihm das geholfen habe, Verständnis für seine Familie zu entwickeln und seinen Frieden mit der verstörenden Erfahrung zu machen.  

Konfliktprävention auch in der Zusammenarbeit der Partnerorganisationen

Als sich im September 2019 die Partnerorganisationen in Berlin zum Kick-off treffen, wird schnell deutlich, wie groß die Unterschiede zwischen allen sind. Es sind Nichtregierungsorganisationen dabei, Universitäten, Erwachsenenbildungseinrichtungen, die lokal, national oder international arbeiten. Projektkoordinator Barthel schlägt eine ungewöhnliche Methode vor, die auch „Heldenreise“ genannt wird: Er nimmt die Kolleginnen und Kollegen gedanklich Schritt für Schritt mit auf eine Reise. Wohin soll es bei DiA genau gehen, was muss in den Koffer? Barthel fragt nach, was die jeweilige Organisation wäre, wenn man sie als Charakter beschreiben würde, erarbeitet mit den Teilnehmenden, was Stärken und „Superkräfte“ sind, die bei Hindernissen auf dem Weg helfen können. „Mit dieser narrativen Struktur vermittelt man Projektmanagement auf lebendigere Weise als anhand von Powerpoint-Folien“, erklärt er. Zudem könnten sich die Organisationen tiefer kennenlernen und besser einschätzen.

Am Ende steht ein gemeinsames „Manifesto“, das während der gesamten Projektlaufzeit immer wieder reflektiert wird. Die dort niedergeschriebenen gemeinsamen Werte hätten den europäischen Partnern geholfen, kleinere Durchhänger zu bewältigen und besser mit den vorher unfassbar erscheinenden Ereignissen wie der Covid-Pandemie oder dem nahen Krieg im Land einer Partnerorganisation klarzukommen, so Barthel.

Es ist eben gut, nicht allein zu sein.

Link zum Projekt