FIETE: Förderung der Inklusion: Erwachsenenbildung trifft Europa - Aus der laufenden Praxis -

Zehn Einrichtungen der niedersächsischen Erwachsenbildung arbeiten gemeinsam im Erasmus+ Projekt FIETE, das im Rahmen des Runden Tisches Inklusion der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung in Niedersachsen geplant wurde.

Die Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung (AEWB) befasst sich seit Jahren mit dem Themenfeld Inklusion und Erwachsenenbildung sowohl im Rahmen ihres umfangreichen Fortbildungsprogramms für alle Erwachsenenbilderinnen und -bildner in Niedersachsen als auch in Form von Modellprojekten. Der dabei verwendete Inklusionsbegriff wurde schrittweise erweitert: von einer Fokussierung auf Menschen mit Behinderungen zu einem Begriffsverständnis, das kulturelle, soziale, politische, religiöse und physische Unterschiede wie Herkunft, Sprache, Geschlecht, Alter und sexuelle Orientierung einschließt.

Die Umsetzung der Inklusion in der Erwachsenenbildung betrifft sowohl die Organisationsebene als auch die Lehr-Lernprozesse. Bereits 2007 stellte Kronauer fest, dass weniger der Ausschluss aus Institutionen als die Ausgestaltung der Institutionen selbst für den Verlust von realer Teilhabe entscheidend seien. Den Bildungseinrichtungen fällt hierbei eine Schlüsselfunktion zu. Doch während die Inklusion an Kitas und Schulen und das Diversity Management an Universitäten seit Jahren vorangetrieben werden, stehen die Erwachsenenbildungseinrichtungen in Niedersachsen noch am Anfang eines Prozesses, in dem Organisationsentwicklung, Programmplanung sowie didaktische Methoden und Konzepte systematisch und kohärent auf eine inklusive Bildung ausgerichtet werden. Dies ist von besonderer Dringlichkeit, da die Erwachsenenbildung wie kein anderer der drei Sektoren auf eine vielfältige Lernerschaft trifft. Menschen fast jeden Alters, jeder Herkunft, unterschiedlicher Bildungsbiografien, mit oder ohne Handicap, religiös oder laizistisch treffen in Erwachsenenbildungseinrichtungen aufeinander. Gerade marginalisierte Gruppen wie Menschen ohne Schulabschluss, Zuwanderer und Zuwanderinnen oder Menschen mit Handicap erhalten in Erwachsenenbildungseinrichtungen Zugang zu Bildung.  

Beispiele aus Europa nutzen

In den ausgewählten europäischen Ländern – Finnland, Dänemark, Schweden, Österreich, Belgien und Italien – existieren Zugänge, Formate und Methoden, die für folgende Ziele nutzbar gemacht werden sollen:

  • Erstellung eines Inklusionsplanes für die niedersächsische Erwachsenenbildung
  • Planung neuer Fortbildungsangebote bzw. Überarbeitung vorhandener Formate für das Erwachsenenbildungspersonal in Niedersachsen
  • Förderung der Inklusion in zentralen Programmbereichen der Erwachsenenbildung (Frühkindliche Bildung/Familie, Politische Bildung, Berufliche Bildung)
  • Europäische Impulse für eine niedersachsenweite Tagung zum Thema Inklusion in 2019
  • Darstellung der europäischen Impulse im Rahmen der AEWB Publikationsreihe „einBlick“ in 2020

Kreativer Umgang mit den coronabedingten Einschränkungen

Die Veröffentlichung „Einblicke“ wird auf den Ergebnissen des Projekts aufbauen. Aufgrund der Corona bedingten Restriktionen ruhen die Arbeiten hierzu, bis es wieder möglich ist Mobilitäten durchzuführen. Auch die geplante Fachtagung konnte bisher nicht stattfinden. Um hier die Zeit sinnvoll zu nutzen, hat sich die Arbeitsgruppe, die sich mit der Vorbereitung der Fachkonferenz beschäftigt hätte,  mit der Entwicklung eines Escape Room Inclusion beschäftigt. „Der Escape Room ist ein realitätsgetreu nachgebauter Raum, in dem die Spieler in der vorgeschriebenen Zeit von 55 Minuten unterschiedliche Rätsel lösen müssen, um den Raum als Siegerin beziehungsweise Sieger verlassen zu können“. Mehr dazu siehe "Was ist ein Escape Room" (escaperooms-giessen.de

FIETE ermöglicht nicht nur die Erweiterung zentraler Kenntnisse und Kompetenzen vor dem Hintergrund dieser Ziele, sondern auch den Aufbau von Kooperationsbeziehungen und den gegenseitigen Austausch guter Praktiken. Im Rahmen von FIETE sind Job Shadowings/Hospitationen mit insgesamt neun Maßnahmen und 45 Teilnehmenden geplant. Die zwei Reisen nach Österreich fokussieren einmal auf Impulse für den zu erstellenden Inklusionsplan und zweitens auf Instrumente und Konzepte im Spannungsfeld berufliche Bildung/Inklusion in den Arbeitsmarkt. Im Zusammenhang mit der Entwicklung des Escape Room Inclusion wurde während einer Reise nach Österreich der Grundstein einer Kooperation mit dem Retzhof bei Graz gelegt, die den Transfer der Escape Rooms Inclusion und Grundbildung umfasst.

Inklusion als gesamtgesellschaftliches Ziel

Ebenfalls in Österreich hat eine Teilnehmerin Interviews zu Inklusionsfragen in Kindergärten und Kitas durchgeführt. Hierbei ging es vor allem um Fragen kultureller und religiöser Durchmischung. Die Ergebnisse flossen unter anderem in die Erarbeitung von Arbeitsmaterialien mit dem Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) ein und dienen der weiteren Entwicklung des Inklusionsplans. Zentrales Ziel der Einrichtungen ist beispielsweise die Entwicklung von Konzepten in Zusammenarbeit mit den Eltern betroffener Kinder sowie die gegenseitige Unterstützung und Rückendeckung. Neben einem Evaluationstool nach Barth wurde auch das Handbuch „Kommunaler Index Inklusion“ als hilfreiches Unterstützungsinstrument eingesetzt. 

Ähnlich zugeschnitten sind die Aktivitäten in Finnland, wo die Inklusion als gesamtgesellschaftliches Ziel von staatlicher Seite stark gesteuert und finanziert wird, nicht nur im Hinblick auf den Arbeitsmarkt, sondern etwa auch in der kulturellen Bildung. Begeistert waren die Kolleginnen und Kollegen des BNW, die Reisen nach Finnland durchgeführt haben. Fokus der Job Shadowings lag auf Menschen mit (Schwer-)Behinderungen in klein- und mittelständischen Unternehmen und ihre Inklusion in den Arbeitsmarkt. Die dortige Arbeit zu Grundrechten der Zielgruppe und gesamtgesellschaftlichen Konzepten hat die Teilnehmenden beeindruckt. Positiv hervorgehoben sei außerdem: der Fokus auf Fähigkeiten, nicht auf Behinderung. Interessant ist auch die Strategie der Stadt Helsinki für Barrierefreiheit und sichere Umgebung, der „Accessibility Plan“.    

Eine wichtige Grundvoraussetzung ist die Bereitschaft der Arbeitgebenden, Inklusion organisatorisch denken zu wollen. Zum Hemmschwellenabbau benötigen diese aber auch Unterstützung, nicht nur Forderungen.
Anstoß gaben die bisherigen Erfahrungen auch zu aktuellen Überlegungen den Themenbereich Inklusion innerhalb der AEWB umzustrukturieren und –zubenennen, um die Bandbreite der darunterfallenden Aspekte besser abzubilden.