Potenziale immersiver Medien (XR) in der Berufsbildung - Aus der Nerd-Ecke in die praktische Ausbildung

19.01.2023

Der digitale Wandel ist in vollem Gange. Dieser Transformationsprozess hat Auswirkungen auf die Arbeits- und Berufswelt und damit auch auf die Berufsbildung. Lange Zeit war VR-Hardware teuer und nicht intuitiv zu nutzen. Dies hat sich geändert. XR-Technologien wie 360-Grad-Videos auf YouTube, AR-Filter auf Snapchat sowie selbst gebaute VR-Geräte wie Google Cardboard ermöglichen eine niederschwellige Nutzung im Beruflichem und im Privatem. Das steigende Interesse an AR und VR in der Aus- und Weiterbildung verdeutlicht eine Befragung von 2022 unter 600 Unternehmen. Von diesen nutzen nach eigenen Angaben 76 Prozent VR und 57 Prozent AR für die Qualifizierung von Mitarbeitenden (BITKOM, 2022).

Handeln und Erfahren in der erweiterten Realität

Immersive Medien eröffnen neue innovative Qualifizierungsansätze und zeigen Handlungs- und Modernisierungsbedarf auf, indem sie flexibel digitale Medien zum integrierten Lern- und Arbeitsmittel machen. Hier sind offene Bildungsmaterialien von Bedeutung. Diese Flexibilität bietet Möglichkeiten für die Entwicklung neuer didaktischer Konzepte, pädagogischer Herangehensweisen und die Motivation der Zielgruppe, junge Lernende.

In der Ausbildung kann XR hyperrealistische Trainingswerkzeuge anbieten, um Pilotinnen und Piloten, Chemikerinnen und Chemiker oder auch medizinisches Fachpersonal dabei zu unterstützen, gemeinsam Problemlösungen zu finden. Begleitendes Lernen ist durch audiovisuelle Unterstützung in Echtzeit und ohne Programmieraufwand (Remote Training) zum Beispiel für Wartungsprozesse in Anlagen möglich. Das Eintauchenbzw. die Immersion umfasst derzeit verstärkt visuelle und auditive Elemente. Die Simulation von Haptik und Gerüchen wird kurz- bzw. mittelfristig möglich sein. Für das didaktische Design gilt es bei VR-Lernumgebungen zu beachten, dass sie den realen Gegenstand und die soziale Interaktion in der beruflichen Handlung nicht gänzlich ersetzen können. Der Fokus sollte hierbei auf der Förderung von Kommunikation und Kollaboration sowie der Vermittlung von Handlungsabläufen liegen, die real zum Beispiel zu teuer oder zu gefährlich sind.

Im Handwerk hat der Einsatz von AR und VR auch Potenzial. So können in einem VR-basierten Vorabtraining nicht kodifizierte Prozesse geübt werden. Im Maler/-innenhandwerk ist es möglich, verschiedene Untergründe zu simulieren sowie die Anbringung teurer Tapeten an diese virtuellen Untergründe zu trainieren. Hierfür können neben der VR-Brille auch sogenannte „haptic gloves“ zur Anwendung kommen. Damit sind realitätsnähere haptische VR-Erlebnisse möglich. Die derzeitige Entwicklung geht dahin, dass 3D-Inhalte einfach zum Beispiel mittels eines Smartphone-Scans eines realen Objekts erzeugt werden. Dies ermöglicht die Einbindung einer Vielzahl dieser 3-D-Objekte bzw. von digitalen Twins in AR- und VR-Umgebungen.

Erasmus+ unterstützt digitalen Wandel

Bedarfe für immersive Medien in der Aus- und Weiterbildung können durch branchen- und länderübergreifende Schulungen des Bildungspersonals gedeckt werden. Erasmus+ fördert den Austausch und die gemeinsame Entwicklung von Lernaktivitäten und Erprobung von Lehrinhalten digitaler Kompetenz und den Einsatz immersiver Medien in der Berufsbildung. Europäische Kooperationsprojekte können einen wichtigen Beitrag zum Transfer guter Praxis und des Gelingens der digitalen Transformation leisten, wie exemplarisch die Projekte Digi4VET und DigiCon zeigen.