E-Learning für Volkshochschulen - Ein Sprachkursleiter auf Recherche in Schweden

Im Homeoffice ist Ruhe eingekehrt: Die Kinder sind in der Schule und Kita abgeliefert, die Ehefrau zur Arbeit außer Haus. Sven Hansen fährt seinen Rechner hoch, öffnet den Browser und logt sich auf der Lernplattform Moodle ein. Ein Klick, ein zweiter– und schon sieht der VHS Dozent, ob der freundliche Herr, der von seiner Ehefrau zum Schwedisch-Lernen überredet wurde, die Übungsaufgaben mit demselben Schwung erledigt hat wie sie.

02.06.2017, von Julia Göhring

Es ist ein Experiment, auf das sich Sven Hansen, seine Schülerinnen und Schüler und die Volkshochschule Hamburg eingelassen haben. Die Teilnehmenden lernen mit Hilfe eines Kurses vom Typ Blended-Learning. Das bedeutet: neben Terminen, an denen die Teilnehmenden traditionell in der Volkshochschule gemeinsam lernen, können sie weitere Einheiten online bearbeiten. Hinter dem Angebot steht auch eine grundsätzliche Frage: Sind Fernlern-Kurse, bei denen sich Teilnehmende und Dozenten online auf einer Lernplattform austauschen können, auch ein passendes Zukunftsmodell für Volkshochschulen? Das wollte Sven Hansen genauer wissen und hospitierte im März 2016 eine Woche an der Folkuniversitet in Göteborg in Schweden, bevor er seinen ersten derartigen Kurs konzipierte.

Ist E-Learning ein Zukunftsmodell für Volkshochschulen?

Dort, wo Sven Hansen zuhause ist, in Schleswig-Holstein, erstrecken sich zwischen Dörfern und Städtchen noch weite Felder, Wiesen und Auwälder, fahren Busse und Bahnen nur selten. Als freiberuflicher Dozent arbeitet Sven Hansen auch für die Volkshochschulen in dieser ländlichen Region. „Können Volkshochschulen mittels E-Learning ein Flächenland vernetzen?“ war eine seiner Fragen an mögliche Fernlern-Kurse.

In Skandinavien, wo wenige Menschen auf riesigen Flächen leben, steht die Erwachsenenbildung vor ähnlichen Problemen, erklärt Sven Hansen. „Dort ist man schon weiter mit dem Thema E-Learning“, weiß er, „es gehört zum skandinavischen Denken, vor allem die Chancen von technischen Innovationen zu sehen.“ Er recherchierte und erhielt schnell Kontakt zu einer Expertin in Göteborg, Kerstin Namuth. Die Deutsche, die in Schweden lebt, ist an der Folkuniversitet in Göteborg zuständig für die Leitung und Koordination der Open Source Lernplattform Moodle. Mit Moodle arbeiten auch viele deutsche Bildungseinrichtungen. Kerstin Namuth bot Sven Hansen eine einwöchige Hospitation an. Die Reise wurde gefördert durch das Projekt Europ@vhs des Landesverbandes der Volkshochschulen Schleswig-Holstein e.V.. Es richtet sich ausdrücklich an Sprachkursleitende und ermöglicht ihnen, sich europaweit fortzubilden, um Sprach- und Methodenkenntnisse auszubauen. „Einmal wieder richtig in die schwedische Sprache einzutauchen, war ein zusätzlicher Anreiz für meine  Hospitation“, erklärt Sven Hansen.

Mit Fernlern-Kursen neue Zielgruppen erschließen?

In einem fünftägigen „Crashkurs“ informierte sich Sven Hansen über die langjährigen Erfahrungen der schwedischen Kollegen mit Fernlern-Kursen. Die führende Lehrerin für Schwedisch an der Folkuniversitet etwa, Christina Erikson, führte Sven Hansen ihre Moodle-Kurse vor. Sie enthalten viele digitale Funktionen wie etwa Video-Tutorials, Learning-Apps oder Programme, die sich dazu eignen, Texte zu korrigieren.

Man merkt Sven Hansen die Begeisterung an, wenn er schildert, was ein Kurs auf einer Online-Lernplattform für Möglichkeiten bietet: „Als Kursleiter kann ich das ganze Material digital zu Verfügung stellen: Texte, Übungen, Bilder, aber auch Tonaufnahmen, etwa zum Nachsprechen. Die Teilnehmenden können die Aufgaben zeitlich unabhängig und selbstbestimmt bearbeiten – und ich kann zeitnah und individuell korrigieren.“ Er ergänzt: „Natürlich macht es anfangs mehr Arbeit, neu zu konzipieren, zumal man auf Bild- und Tonrechte achten und deshalb oft selbst neue Materialen erstellen muss. Aber ich muss auch bei normalen Kursen Kopien machen und Unterlagen aktualisieren.“ Und schließlich suchten die Volkshochschule auch nach Wegen, attraktiver für die jüngere Generation zu werden, die mit Facebook und Smartphones aufgewachsen sei, ergänzt Sven Hansen.

Macht E-Learning den Sprachkursleiter überflüssig?

Selbstverständlich gibt es in den Volkshochschulen mit ihren knappen Budgets auch die Überlegung, mittels E-Learning Kosten bei den Dozentenstunden einzusparen. Eine Studie von Kerstin Namuth aber, so erfuhr Sven Hansen, ergab, dass die Kursleiter besonders zu Beginn viel Zeit investieren müssen, um Lernprozesse anzustoßen. Die Hamburger Volkshochschule konnte Sven Hansen dann auch davon überzeugen, ihm nicht nur die Präsenzstunden im Blended-Learning-Kurs, sondern zusätzlich auch einige Stunden seiner Online-Arbeit zu bezahlen.

Für das Sprachenlernen neue Formate ausprobieren: Digital gibt es keine Grenzen

Was seinen Blended-Learning-Kurs angeht, so macht Sven Hansen bislang die Erfahrung, dass die Teilnehmenden dort ebenso wie bei Präsenzkursen mit sehr unterschiedlichem Engagement Schwedisch lernen. Aber er hat auch schon einen Plan, wie er ihnen zusätzliche Anreize und Spaß bieten und das Sprachenlernen weiter in die digitale Welt integrieren möchte. Besonders ein schwedisches Unterrichtskonzept für Immigranten hatte es ihm angetan. Es bindet Wikipedias Ableger Wikimedia Sverige als Plattform für das Lernen der schwedischen Sprache ein. Dort schreiben Teilnehmende angeleitet Artikel für Wikipedia und nutzen dafür die digitalen Werkzeuge, die Wikipedia anbietet. Durch die Informationssuche und Kommunikation mit anderen wird das Sprachenlernen unterstützt. „Warum also nicht als nächstes in einem Fortgeschrittenen-Kurs mit Hilfe von Wikipedia Artikel zu Personen, Gebäuden und Orten recherchieren, gemeinsam formulieren und veröffentlichen. Auf Schwedisch natürlich!“

Sie wollen mehr erfahren? Im Projektblog hat Sven Hansen seine vielfältigen Erfahrungen ausführlich beschrieben.

 

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