Den Weg von politischen Zielen zu wirksamer Praxis ebnen - Erwachsenenbildung in der Europäischen Union

Wie können wir die Effizienz und Wirksamkeit von Erwachsenbildung erhöhen? Und zwar nicht nur in einzelnen Regionen, sondern in ganz Europa? An diese komplexen Fragen haben sich die Partnerinnen und Partner des Erasmus+-Projektes CREATE gewagt. Dafür haben sie untersucht, was regionalen und lokalen Akteuren bei der Konzeption und Umsetzung übergeordneter EU-Politik in konkrete Programme hilft und auf der CREATE-Plattform gesammelt.

August 2020, Julia Göhring

Sanftes Hügelland, durchzogen von engen Landstraßen, grüne Weiden, von Feldsteinmauern eingefasst, dazwischen einzelne Höfe und kleine Dörfer, so sieht das ländliche Irland, Arbeitsgebiet von Sinead Dooley, aus. Sie ist stellvertretende Geschäftsführerin von Irish Rural Link (IRL), einem Netzwerk für nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes in Irland. 

Zu Füßen der italienischen Stadt Pescara hingegen breiten sich die Strände der Adria aus, in ihrem Rücken steigen die Abruzzen auf, Verkehrsadern verbinden die Stadt mit Rom im Westen, sowie mit Nord- und Süditalien, es gibt Tourismus, Industrie und Handel. Hier arbeitet Luca Saraceni als Senior Manager in der Gemeindeverwaltung von Pescara, zuständig für Europa und Internationales. 

Austausch und Transparenz verbessern

Sinead Dooley und Luca Saraceni arbeiten nicht nur in verschiedenen Regionen in Europa, sondern als Vertreterin und Vertreter einer Nichtregierungsorganisation (NGO) und einer Stadtverwaltung auch in sehr unterschiedlichen Organisationen. Bei allen Unterschieden stehen sie dennoch vor ähnlichen Aufgaben: Passende Erwachsenenbildungs-Programme für übergeordnete bildungs- und damit auch wirtschaftspolitische Ziele der EU für ihre Region zu entwickeln und umzusetzen. Deshalb wurden sie eingeladen, beim Erasmus+-Projekt CREATE mitzuarbeiten.

Denn die Erfahrungen von Menschen, die an den unterschiedlichen Schnittstellen zwischen Politik und Praxis der Erwachsenenbildung arbeiten, wurden bei CREATE gezielt ausgewertet, um herauszufinden, wie Wirksamkeit von Erwachsenenbildung in allen Regionen Europas verbessert werden kann. Nicht nur EU-Förderlinien etwa können „manchmal recht verwirrend sein“, wie es auf der Projektwebsite heißt. „Einrichtungen, die an der Front´ arbeiten, haben auch nicht immer das Gefühl, gehört zu werden“, berichtet Eva Heesen, zuständig für EU-Projekte bei der niedersächsischen Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung und Projektleiterin CREATE. „Die sagen dann zum Beispiel: Mit unseren Bedingungen können wir dieses oder jenes realistisch gar nicht leisten. Viele wünschen sich mehr Transparenz und Kommunikation.“ Eines der Ziele von CREATE war es deshalb auch, den Austausch zwischen Regionen zu fördern. 

Unterschiedliche Voraussetzungen und Erfahrungen in den EU-Regionen einbeziehen

Im ländlichen Irland etwa ist die dörfliche Infrastruktur vielerorts geschwächt, ebenso der Zusammenhalt in den Gemeinden. „Es gibt weniger kommunale Bildungsangebote für Erwachsene als früher. Viele arme Familien haben keinen Zugang zu schnellem Internet. Wir sehen, dass Menschen mit geringer Bildung weiter zurückfallen“, erklärt Sinead Dooley, deren Organisation diesen Prozess etwas entgegensetzen will. 

Der Entwicklung Pescaras birgt andere Herausforderungen als die eines ländlichen Raumes: Die bislang ca. 120.000 Einwohner*innen werden um 70.000 Menschen anwachsen, wenn sich Pescara 2023 mit seinen Nachbargemeinden zur drittgrößten Stadt an der italienischen Adria zusammenschließt. Zudem möchte der neue Bürgermeister die europäische Zusammenarbeit ausweiten. „In der Regel haben politische Entscheidungsträger auf lokaler Ebene – ob in Verwaltung oder als Politiker*in – aber wenig Möglichkeiten, zu sehen, was in anderen Regionen Europas stattfindet.

Für unsere Gemeindeverwaltung, die jetzt den Rahmen für die lokale Politik der nächsten Jahre entwickelt, ist daher der Zugang zu Wissen und Praxis anderer in Europa sehr wichtig, gerade auch in Sachen Erwachsenenbildung”, erklärt Luca Saraceni.

Nützliche Werkzeuge im Politikfeld Erwachsenenbildung teilen

Die neun CREATE-Partnerorganisationen aus acht Ländern – große, überregionale wirkende Einrichtungen und Zusammenschlüsse im Bildungs- und Regionalentwicklungsbereich – haben in einem mehrstufigen Prozess eine Online-Plattform entwickelt, deren Herzstück die CREATE-Toolbox ist. Regionale und lokale Akteurinnen und Akteure im Bereich Erwachsenenbildung finden hier Links zu Instrumenten, die von anderen Aktiven der Community für nützlich befunden wurden. Die Plattform ist in sieben verschiedenen Sprachen zugänglich – neben Spanisch und Englisch etwa auch auf Lettisch. Als Zielgruppe für eine erste Evaluation wurden regionale und lokale Verwaltungen und Bildungsakteurinnen und -akteure angesprochen.

Sinead Dooley etwa arbeitet an einem Projekt, das den Nutzen von Erwachsenbildung auch in sehr abgelegenen Regionen belegen soll. Ein Gegenargument sei häufig, dass sich die Investition nicht lohne. „Wir hingegen argumentieren, dass die Kosten zu Beginn sehr hoch seien mögen, sich auf lange Sicht aber auszahlen”, erklärt sie. „In der Toolbox haben wir Instrumente gefunden, mit denen wir unsere Argumente für den Antrag aufbereiten können.” 

Luca Saraceni berichtet: „Für uns ist besonders nützlich, dass viele Informationen auf der Plattform in italienischer Sprache bereitstehen, nicht jede*r in der Verwaltung hat sehr gute Englischkenntnisse.“

In die Zukunft denken

Für die Zukunft hofft Sinead Dooley auf eine noch stärkere Ausrichtung der Plattform auf digitale Strategien in der Erwachsenenbildung. Noch basiere Erwachsenbildung europaweit vor allem auf Techniken des 20. Jahrhunderts.  Eine der wichtigen Erkenntnisse aus dem Projekt sei für IRL aber gewesen: „Die Zukunft ist eine `App-Kultur´. Wir haben für uns neue Plattformen, Instrumente und Methoden gefunden, die man alle über unterschiedliche Apps und Online-Zugänge erreichen kann.”

„Ein Effekt von CREATE für uns war auch, dass wir weitere Ideen für europäische Projekte im Bereich Erwachsenenbildung entwickelt haben“, berichtet Luca Saraceni. Ein neuer Antrag der Gemeindeverwaltung Pescara für eine strategische Erasmus+-Partnerschaft im Bildungsbereich läuft bereits.