Europa hat ein Gesicht bekommen - Das Erasmus+-Projekt „SPACE“ wurde mit dem European Innovative Teaching Award (EITA) ausgezeichnet

Text von Manfred Kasper | September 2025

Mit dem European Innovative Teaching Award (EITA) würdigt die Europäische Kommission seit 2021 herausragende Unterrichtspraktiken, die im Rahmen von Erasmus+-Projekten entwickelt wurden. Der Award greift jedes Jahr ein aktuelles bildungspolitisches Thema auf, 2025 stehen Demokratiebildung und bürgerschaftliches Engagement im Fokus. Dabei verlieh die Nationale Agentur Bildung für Europa (NA beim BIBB) den Preis in Deutschland in der Kategorie Erwachsenenbildung. Der Gewinner wurde am 15. September bekanntgegeben, es ist das Projekt „SPACE“ der Volkshochschule im Landkreis Cham e.V. (VHS Cham).

„SPACE“ steht für „Seniors Perceive A Common Europe“, was die Idee des Projektes sehr gut beschreibt. Es geht darum, älteren Lernenden europäische Werte zu vermitteln und sie zu aktiven europäischen Bürgerinnen und Bürgern zu machen. Im Rahmen der Kooperationspartnerschaft entwickelten und realisierten Einrichtungen aus Deutschland, Bulgarien, Italien, Schweden und Spanien im Zeitraum von Dezember 2022 bis November 2024 ein Konzept, das vor allem die Traditionen und das kulturelle Erbe der jeweiligen Länder und Regionen in den Fokus nahm. Die VHS Cham koordinierte das Projekt, hier wurden Mitmachveranstaltungen durchgeführt, die sowohl Lernmöglichkeiten boten als auch die Chance, selbst etwas zu erarbeiten. Je nach Thema gab es unterschiedliche Lernumgebungen: von Computerarbeit in den Räumen der VHS bis zum traditionellen Lebkuchenbacken und Kräuterbuschen Binden, bei dem verschiedene Kräuter gesammelt und mit einem stabilen Naturfaden um eine Königskerze oder Rose gebunden werden.  

„Viele dieser Traditionen sind zwar noch lebendig, werden aber nicht mehr so stark wahrgenommen und praktiziert. Ich glaube, dass wir bei den Teilnehmenden etwas aufgeweckt haben“, erzählt Johanna Jankowski, die seit 2017 im Team Internationale Projekte der VHS Cham arbeitet und für das Projekt verantwortlich zeichnete. Sie ergänzt: „Wir sind auf die Menschen zugegangen mit einem Angebot, das sie in ihrer eigenen Geschichte abholt. Das war in dieser Form neu. Das Besondere aber war, dass die Ergebnisse der Arbeit anschließend im Rahmen des Austauschs in den Partnerländern vorgestellt wurden. Dabei ging es um Fragen wie: Haben die anderen Länder ähnliche Traditionen oder Rezepte? Wo sind Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede gibt es?“.

„Europa durch die Augen unserer Senioren“ – die teilnehmenden Seniorinnen präsentieren zusammen mit den Projektmanagerinnen eine Ausstellung im Projekt SPACE.  

© VHS Cham

Im Projekt SPACE geben die teilnehmenden Seniorinnen Einblicke in ihre regionale Kultur und halten ihre Aktivitäten in Videos fest, die anschließend in digitalen Ausstellungen gezeigt werden.

© VHS Cham

Gemeinsam in die Partnerländer

So erhielten jeweils zwei Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, an den Treffen im europäischen Ausland zu partizipieren. Ein Angebot, das anfangs Berührungsängste hervorrief, zumal die Präsentation vor Ort in Englisch erfolgen sollte. Von Kursbaustein zu Kursbaustein jedoch wurden die Seniorinnen und Senioren immer offener. Dazu noch einmal Johanna Jankowski: „Sie haben gemeinsam geübt, und nachdem das erste komische Gefühl überwunden war,  sind sie richtig daran gewachsen. Das war wie eine Art Domino-Effekt. Als die ersten Leute zurückkamen und von ihren Erfahrungen erzählten, spürte man die Begeisterung. Und das machte auch die anderen immer neugieriger.“

Jankowski erinnert sich, dass es anfangs fast immer so war, dass die Gruppen beim Abendessen national zusammensaßen. Schon am zweiten Abend aber änderte sich dies, weil die Teilnehmenden spürten, wie spannend es sein kann, neue Leute und andere Kulturen kennenzulernen. Für sie war das „eine sehr schöne Form der Annäherung.“

Das bestätigen auch die Seniorinnen und Senioren selbst. So unterstreicht Anna Hauer, die am Austausch in Schweden teilnahm: „Es freut mich, dass ich über das Projekt Menschen aus anderen europäischen Ländern begegnen durfte. Besonders spannend war es, ihre Gewohnheiten, Speisen und Bräuche sowie ihre Kultur und Traditionen kennenzulernen.“ Ingeborg Tragl war sogar zweimal mit dabei, in Spanien und in Italien. Die 74-jährife sagt: „Ich habe gemerkt, wie toll Europa ist und wie wichtig es ist, europäische Werte zu leben. Der Austausch war für beide Seiten sehr bereichernd.“

Gerade beim Dialog mit Bulgarien überwog bei einigen Teilnehmenden zunächst die Skepsis. Zu fremd schien die dortige Realität. Heute pflegt man einen regelmäßigen Austausch mit den bulgarischen Seniorinnen und Senioren. Rosina Mühlbauer, die mit dem Projekt nach Sofia reiste, bekräftigt: „Ich habe schon viele europäische Länder bereist. Bulgarien hatte ich nie auf dem Schirm. Durch „SPACE“ konnte ich einen Eindruck vom Land und seinen Bewohnern gewinnen. Mein Bild von Bulgarien hat sich dadurch wirklich zum Positiven verändert.“

Auf diese Art und Weise ist Europa für die Teilnehmenden der VHS Cham greifbarer geworden. Allgemeine Bilder und Klischees wurden durch konkrete Erlebnisse ersetzt, Europa hat ein Gesicht bekommen. Gerade in ländlich geprägten Regionen trägt eine solche Form der Teilhabe dazu bei, die Bedeutung von europäischen Werten, Demokratie und kultureller Vielfalt zu stärken. Das zeigt das Projekt „SPACE“ sehr eindrucksvoll. Fast alle Beteiligten äußerten den Wunsch, „so etwas gerne noch einmal zu machen“.

Nachhaltige Wirkung durch Materialien

Johanna Jankowski freut dies. Sie verweist zugleich darauf, dass es von Anfang an auch ein zweites Projektziel gab: das erarbeitete Wissen auch anderen zugänglich zu machen, und zwar so breit wie möglich. Erwachsenenbildner, die vom Angebot der VHS Cham fasziniert sind und selbst etwas ähnliches „auf die Beine stellen“ möchten, finden unter https://thespaceproject.eu ausführliche Materialien: vom Handbuch, in dem innovative Lernkonzepte, bewährte Verfahren und  Umsetzungsideen dargestellt werden, bis zur digitalen Plattform. Hier können sie auch die Exponate, die die Seniorinnen und Senioren im Rahmen des Projekts erarbeitet und präsentiert haben, ansehen.

Film des Projekts

Die Preisverleihung durch die NA beim BIBB erfolgt im Herbst 2025. Die siegreichen Projekte werden zudem im Rahmen eines europäischen Netzwerkevents bei der Europäischen Kommission in Brüssel vorgestellt.

Auch das Europäische Sprachensiegel wird heute verliehen, welches ein weiteres Projekt der NA beim BIBB erhalten hat. Lesen Sie hier, womit sich das Projekt „Aufbau und Vernetzung von Stadtführungen in Gebärdensprache“ beschäftigt hat!