Selbstständig mit Behinderung? - Jetzt gibt‘s barrierefreie Tipps für Gründerinnen und Gründer

Den Zugang zu Informationen und Hilfen für Menschen mit Behinderungen, die sich selbstständig machen wollen, verbessern – das war das Ziel des Erasmus+- Projektes Disabled + Self Employed (DSE).

Julia Göhring, November 2020

„Hallo, wir drei haben uns neulich selbstständig gemacht“, drei freundliche Comicfiguren mit ausladenden Nasen begrüßen die Nutzerinnen und Nutzer von LAYA, „unsere Erfahrungen möchten wir in den verschiedenen Videos auf dieser Website an euch weitergeben.“ LAYA steht für „Learn as you are“ und ist eine Sammlung von Video-Tutorials für Gründerinnen und Gründer auf der Website des gemeinnützigen Unternehmens KOPF, HAND + FUSS. Wer bei LAYA genauer hinsieht, erkennt, dass die Comicfiguren im Video etwas Besonderes an sich haben: die junge, blonde Gründerin sitzt im Rollstuhl, der Herr mit Schlips trägt Sonnenbrille und Blindenbinde.

Ist meine Idee gut? Wie finde ich Kundschaft? Wieviel Geld muss ich verdienen? Wer sich selbständig machen will, hat viele Fragen. Auf den ersten Blick findet man schnell Antworten. Angebote im Netz von „Selbständig in zehn Schritten“ bis zu „142 Geschäftsideen“ geben erste Orientierung. Auf Events unterschiedlicher Veranstalter wie Social-Media-Plattformen und der Industrie- und Handelskammer gibt es Tipps von Fachleuten. Und in geförderten Gründungsseminaren kann man alles über Businesspläne und Akquise erfahren.

Barrierefreie Zugänge zu Gründungshilfen sind selten

Wer aber sehbehindert ist, kann keinen der wertvollen Tipps im Internet lesen. Wer gehörlos ist, kann einem Vortrag über erfolgreiche Kundenakquise kaum folgen. Und wer im Rollstuhl sitzt, dem ist das informative Gründungsseminar vielleicht gar nicht zugänglich. LAYA aber wurde für Gründerinnen und Gründer mit Behinderungen konzipiert.

Selbstständigkeit als Weg aus der Arbeitslosigkeit für Menschen mit Behinderungen

„Inklusion bedeutet, dass jeder und jede den Zugang zu den gleichen Möglichkeiten haben sollte“, betont Stefanie Trzecinski, Leiterin des von Erasmus+ geförderten Projektes „Disabled and Self-Employed“ (DSE). Sie hat KOPF, HAND + FUSS gegründet und entwickelt inklusive Bildungsangebote auf Grundlage neuer Medien. Gemeinsam mit Partnerorganisationen aus Italien, Polen, den Niederlanden und Spanien hat Stefanie Trzecinski die Videos für LAYA produziert.

Menschen mit Behinderungen sind europaweit deutlich häufiger arbeitslos als Menschen ohne Behinderungen. In Deutschland etwa lag die Quote arbeitsloser Menschen mit Behinderungen 2018 bei 11,2 Prozent, die vergleichbare allgemeinen Arbeitslosenquote nur bei 6,5 Prozent. Insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit ist ein Problem. Für Menschen mit einer Behinderung kann die Selbstständigkeit der einzige Weg aus der Arbeitslosigkeit sein. 

Online-Tutorial LAYA bietet verschiedene Zugänge zu Infos für Gründerinnen und Gründer

Yasmina Ouakidi berät Migrantinnen und Migranten mit Behinderungen und ihre Familien beim Berliner Verein „interaktiv e. V.“, unter anderem zu beruflichen Fragen. Darunter sind auch Menschen, die sich selbstständig machen wollen: „Eine Ratsuchende wollte einen Fahrdienst für Menschen mit Behinderungen gründen. Wir haben mit ihr besprochen, welche Aufgaben zu bewältigen sind. Dafür haben wir LAYA genutzt und uns insbesondere die Videos in Leichter Sprache angeschaut“, erzählt sie. Den Vorteil von LAYA gegenüber anderen Hilfen fasst sie so zusammen: „Kurze und kompakte Informationen. Themen sind sehr verständlich erklärt. Anschauen ist leichter als Lesen. Auch in Leichter Sprache, Gebärdensprache und mit Untertiteln verfügbar.“

Welche spezifischen Einschränkungen Menschen mit Behinderungen mitbringen, wenn sie sich über eine mögliche Selbständigkeit informieren wollen? Stefanie Trzecinski weiß: Das lässt sich nicht verallgemeinern. „Kennst Du einen, kennst Du einen“, erklärt sie. Deshalb ist das Besondere bei LAYA, dass es verschiedene Zugänge gibt, die alle Nutzerinnen und Nutzer selbst auswählen können. Zu anwählbaren Untertiteln, Leichter Sprache oder Gebärdensprache kommt hinzu: Die Videos lassen sich in unterschiedlicher Geschwindigkeit abspielen. Und die Partnerorganisationen haben fast alle Videos in ihre jeweiligen Sprachen übersetzt, so dass diese europaweit genutzt werden können.

Laya bietet einen Ein- und Überblick in Gründungsfragen  

Eine Umfrage der DSE-Projektteilnehmenden zu Projektbeginn hatte ergeben, dass Menschen mit Behinderungen in allen PartnerlLändern vor vielen Schwierigkeiten stehen, wenn sie gründen wollen. „Fehlende unternehmerische Kenntnisse“ wurden von den beteiligten Einrichtungen mit am häufigsten als Ursache genannt.

„Wie wird eine Rechnung geschrieben? Was ist der Unterschied zwischen einer privaten und einer geschäftlichen E-Mail? Die Rückmeldung unser Nutzerinnen und Nutzer auf die Videos ist sehr positiv, sie finden sie kurzweilig und gut gemacht“, berichtet Yasmina Ouakidi. „Ein Unternehmen zu gründen sollte gut durchdacht sein – und die Videos geben dafür einen guten Ein- und Überblick.“

Weitere Informationen

Hier geht es zum Video-Turorial