Tanzen und Turnen gegen Demenz - Erasmus+-Partnerschaft entwickelt E-Learning-Plattform „Actimentia"

Demenzielle Erkrankungen nehmen überall zu. Die Erasmus+-Partnerschaft mit Teilnehmenden aus Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Österreich, Polen, Israel und Deutschland entwickelt deshalb eine innovative E-Learning Plattform für Menschen mit Demenz und kognitiven Einschränkungen.   

Eine frische Brise Meer weht vom Meer herüber zum Seminarraum. Drinnen bewegen sich Frauen und Männer rhythmisch zu fröhlicher Popmusik, sie klatschen den nächsten Tanzpartner bzw. die nächste Tanzpartnerin ab, lachen, versuchen die einfache Schrittfolge unter Anleitung einer Trainerin erneut. „Actimentia“ steht auf den weißen T-Shirts, die sie alle tragen. Actimentia ist der Name der E-Learning-Plattform mit einfachen Video-Bewegungsübungen und Spielen für Menschen mit Demenz und kognitiven Einschränkungen, die die Strategische Partnerschaft im Rahmen von Erasmus+ mit Teilnehmenden aus sechs EU-Ländern und Israel gemeinsam entwickelt haben.

Was hier in Patras, Griechenland, im Februar 2020 stattfindet, ist der Praxistest, an dem neben den Projektpartnern auch pflegende Angehörige aus der griechischen Hafenstadt teilnehmen. Neben betroffenen Menschen sowie Pflege- und Betreuungskräften sind sie die Zielgruppe der Plattform. Bevor diese online geht, soll beim Projekttreffen überprüft werden, was an den gemeinsam entwickelten Übungen noch zu verbessern ist. 

Bewegung wirkt

Neben einfachen Tanzübungen probieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch Aerobic im Sitzen und Übungen mit einem Ball und dem Theraband. Ruth Dankbar vom Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg, die als Projektpartnerin mit nach Patras gereist ist, freut sich, dass „das, was wir entwickelt haben, auch in der Praxis funktioniert“. Denn das war das Ziel: praktisch umsetzbare, niederschwellige Angebote zu kreieren, die dennoch wissenschaftlich fundiert sind. „Könnte man übrigens auch selbst in der Mittagspause nutzen“, überlegt sie.

Für die wissenschaftliche Grundlage und Begleitung hat Sportwissenschaftler Dr. Michael Brach von der Universität Münster gesorgt, der das Erasmus+-Projekt auch insgesamt koordiniert. „Neue Erkenntnisse zeigen, dass körperliche Aktivitäten den Beginn und das Fortschreiten der Begleiterscheinungen von Demenz verzögern können und in allen Stadien von Demenz positiv wirken“, sagt er. Zudem vermitteln sie den Erkrankten Erfolgserlebnisse, die das oft angeknackste Selbstbewusstsein stärken.  

Übungen entwickeln, die Spaß machen und Motivation zum Durchhalten schaffen

Brach betont, dass Effekte nur erzielt würden, wenn das Training regelmäßig erfolge und sich steigere. Mindestens 75 Minuten wöchentlich mit steigendem Schwierigkeitsgrad, so lautet die Empfehlung. Und weil sich niemand gern freiwillig quält, spielt der „Spaß“-Aspekt eine große Rolle. Was Spaß macht, das macht man gern und immer wieder. Gemeinsam haben die Mitglieder der strategischen Partnerschaft deshalb eine Plattform entwickelt, auf der unter anderem animierte Figuren namens Eric und Nicole vorturnen.  Sie sind schon ein wenig älter und ein wenig rundlich, fröhlich-bunt gekleidet und ermuntern zum Mitmachen bei einfachen Übungen.

Drei Pfeiler hat die E-Learning-Plattform: unter „Dances“ sind Musik und Tanzschritte zu finden, die man allein oder zu zweit ausführen kann. „Exergames“ sind Spiele, bei denen etwa Bewegungen einer Skifahrerin nachgeahmt werden und „Lessons“. Das sind beispielsweise Bewegungsübungen für den unteren oder oberen Körper. Sie sind in verschiedene Schwierigkeitsgrade eingeteilt und können individuell zusammengestellt werden. Hilfestellung dabei können betreuende Personen geben.

Vielfalt bringt gute Ergebnisse

Projektpartnerin Tanja Gebova vom bulgarischen Partner Association GENERATIONS ist begeistert von den bisherigen Projekttreffen. Als professionell und kreativ hat sie diese erlebt, mit einem Teamspirit, der gute Laune und Energie wecke –„Voraussetzung für gute Projektergebnisse“, wie sie sagt. Koordinator Brach ergänzt, dass die Verschiedenheit der Partner von Technikfirmen bis Ausbildungsträgern für Pflegekräfte aus unterschiedlichen europäischen Ländern fachlich und kulturell bereichernd sei. Auch das Ergebnis sei robuster, weil es die verschiedenen europäischen Perspektiven enthalte. „Ein rein deutsches Projekt wäre bestimmt nicht in allen Ländern einsetzbar gewesen“, resümiert er.

Jetzt ist Rückmeldung gefragt

Was nun noch fehlt, sind die Erfahrungen der direkten Nutzerinnen und Nutzer: der betroffenen Menschen sowie ihrer pflegenden Angehörigen und des betreuenden Pflegepersonals, die in die Verbesserung der Plattform einfließen sollen. Denn wegen der Corona-Epidemie wird die Plattform am 15. Mai 2020 direkt online gehen und nicht erst in Pilotphasen getestet werden. Brach und sein Team freuen sich nun über direkte Rückmeldungen von den Anwenderinnen und Anwendern. 

Mai 2020, Christina Budde