Mathelehrer und -lehrerinnen zu Gast in Schweden - Lehrkräfte aus dem Regierungsbezirk Arnsberg lernen neue Methoden
Um voneinander zu lernen, ging es im März 2020 für acht Lehrkräfte im Fach Mathematik von ihren Berufskollegs im Regierungsbezirk Arnsberg in das schöne Stockholm. Das Ziel der Reise war einen neuen fachlichen Input über das Fach „Praktische Mathematik" von den schwedischen Kolleginnen und Kollegen zu erhalten.
Erste Eindrücke im anderen Land
Anfang März reisten acht Mathematiklehrerinnen und -lehrer zum schwedischen "Praktiska Gymnasiet" in Stockholm, um dort den Unterricht kennen zu lernen. Nach einem herzlichen Willkommen durch die stellvertretende Schulleiterin sowie deren Mathematikkollegium, wurde den Deutschen das schwedische Berufsschulwesen präsentiert. Neben gab es eine leckere „Fika“, eine schwedische Tradition, die aus starkem Kaffee und Smørrebrød sowie weiterem Gebäck besteht.
Anders als in Deutschland durchlaufen die Lernenden die berufliche Schule innerhalb von drei Jahren mit zunehmenden wöchentlichen Praxiszeiten im Betrieb. Gleichzeitig ist das schwedische Berufskolleg mit vielen Praxisräumen ausgestattet, in denen die Schülerinnen und Schüler situativ vernetzt lernen. Praktische Unterrichtsmethoden sind in schwedischen Schulen daher Alltag. Das Berufskolleg, die Betriebe und die Lernenden sind dabei im permanenten Austausch über den Fortschritt der Ausbildung.
Andere Unterrichtskonzepte und Lehrmethoden
Vor allem das Fach „Praktische Mathematik“ hat die deutschen Gäste beeindruckt. Ein Praxislehrer und eine Mathematiklehrerin unterrichteten gleichzeitig im Team („Teamteaching“) fachpraktische Situationen, wie z. B. im Bereich Einzelhandel. Im Anschluss beginnen die Schüler/-innen eine Übungsphase und wenden das neue Wissen an.
In der Einheit Einzelhandel wurden vorliegende Waren auf der Basis der Einkaufspreise im Sinne einer nachfrageorientierten Preispolitik neu kalkuliert. Die Mathematiklehrerin vermittelt in einem kurzen Vortrag, wie die Kalkulation funktioniert. Dann fordert sie die Schüler und Schülerinnen auf, die Preise für die anderen Produkte begründet festzulegen. Die Arbeitsgruppen werden mit kleinen White-Board-Tafeln ausgestattet, auf denen die Lösungen für alle sichtbar festgehalten werden kann.
Ein tolle Unterrichtsstunde, an der die deutschen Lehrkräfte auch ihren Spaß hatten.
Ein positiven Eindruck hinterließ auch die Schüler-Lehrer-Relationen von einer Klassengröße von 15 bis maximal 20 Lernenden. Neben dem Teamteaching in Klassen mit Förderbedarf, sind häufig Sozialarbeiter/-innen oder Übersetzer/-innen für Neu-Zugewanderte mit im Klassenraum. Diese unterstützen vor allem in den Übungsphasen. Manchen Schülern und Schülerinnen werden kostenlos Laptops zur Verfügung gestellt. Durch die gängige Ausstattung sämtlicher Räume mit WLAN und Beamern, können die Lernenden regelmäßig Anwendungssoftware wie Kalkulationsprogramme im Unterricht verwenden.
Viel Gesprächsstoff für die Lehrenden
Das Lehrpersonal der verschiedenen Schulen führte eine Diskussion über die Vor- und Nachteile der Bereitstellung von Arbeitsmaterialien. Dazu gehören nicht nur die Mathematikbücher (häufig in verschiedenen Schwierigkeitsgraden und Fachrichtungen), sondern auch Taschenrechner, Arbeitsblätter, Radiergummis oder Stifte. Es ist eine hohe finanzielle Belastung für die Schule, jeder Person das Material zur Verfügung zu stellen, aber es vereinfacht den Zugang für viele sozial schwächere Schülerinnen und Schüler.
Auch das Thema Hausaufgaben ist kontrovers. In dem schwedischen Berufskolleg werden keine Hausaufgaben aufgegeben, da der Unterricht erst um 16:30 Uhr endet. So finden Übungsphasen gänzlich in der Schule statt. Die Lernenden erfahren zu Beginn jeder Unterrichtsstunde die Struktur der folgenden 60 Minuten (Was ist heute Thema, was sind die Ziele?). So können sie sich besser auf die Inhalte einstellen und versuchen innerhalb der Zeit mit ihren Themen fertig zu werden. Eine ablaufende Stoppuhr gibt allen Beteiligten ein Feedback über die noch verbleibende Zeit.
Nicht zuletzt diese methodische Herangehensweise war ein fachlicher Input für die deutschen Lehrenden. Insgesamt machte der Aufenthalt und der gute kollegiale Austausch deutlich, wie konkret und dennoch flexibel Unterricht sein kann. Alle Beteiligten haben durch die angeregten Diskussionen Neues gelernt und kehren auch mit neuer Motivation in den Schulalltag zurück.
"Zusammenfassend betrachtet hat der Besuch des schwedischen Berufskollegs uns viele Impulse gegeben, den Blick auf unseren Unterricht geschärft und neue Ideen eingebracht. Unseren Kollegen und Kolleginnen hier in Deutschland können wir nur empfehlen, ebenfalls im Rahmen eines Erasmus+-Projekts Unterricht in anderen europäischen Staaten zu besuchen und vom gegenseitigen Austausch zu lernen."
Mirjam Kaltegärtner, Lehrerin am Mulvany Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung der Stadt Herne