Multikulturelle Offenheit ist ein Mehrwert von Erasmus+ - Interview mit der Leiterin der rumänischen NA Monica Calota

Welche Bedeutung hat das Programm Erasmus+ in Ihrem Land? Wie wird es wahrgenommen und welche Wirkung hat es?

Erasmus ist in Rumänien ein Symbolprogramm, würde ich sagen. Als es Ende der 90er Jahre ins Leben gerufen wurde (nicht als Erasmus, sondern als Leonardo da Vinci, Socrates, Comenius…), brachte es eine neue Form von Enthusiasmus und Energie in den Bildungsbereich. Es eröffnete neue Perspektiven. Die Menschen erlebten europäische Zusammenarbeit und den Wert, den sie insbesondere für Länder wie Rumänien hatte, die damals noch keine EU-Mitglieder waren. Und sie alle – und wir alle – entdeckten Europa, da das zuvor nicht so einfach möglich gewesen war.

Man könnte sagen, dass wir nun eine Erasmus-Gemeinschaft oder gar eine Erasmus-Familie haben! Der Enthusiasmus aus den Anfangsjahren hat sich verändert, er ist nicht mehr derselbe. Die Gesellschaft hat sich in diesen über 25 Jahren verändert. Ich würde sagen, das Programm ist gereift, es liegt nun ein klarerer Fokus auf den Organisationen und ihrer Entwicklung sowie auf Auswirkungen und strategischen Ansätzen. Ich glaube, diese Veränderungen lassen sich auch daran ablesen, wie das Programm gerade wahrgenommen wird.

 

Hinsichtlich der Relevanz sehe ich zwei Dimensionen: die Auswirkung auf die Menschen und die Auswirkung auf die Organisationen.

 

Wir haben eine Zwischenbilanz für den vergangenen Finanzzyklus von Erasmus+ in Rumänien (2014–2020) durchgeführt und unsere Daten zeigen deutlich, dass über 85 %–90 % der Begünstigten sowohl hinsichtlich des Erwerbs von Fachkompetenzen als auch in Bezug auf ihre persönliche Entwicklung zufrieden sind. Am besten waren die Ergebnisse im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung, wo die Zufriedenheit der Begünstigten bei über 95 % lag. Somit trägt Erasmus+ auch heute noch erheblich zur Verbesserung der persönlichen Entwicklung und des Selbstwertgefühls, zur Offenheit für Vielfalt, zu Neuerungen im auf dem Gebiet der Didaktik sowie zur Optimierung der Lehrkompetenzen bei. Jedes dieser Elemente wurde in unserer Evaluierung mit über 4 von 5 Punkten bewertet. Gleichzeitig haben die Student/-innen das Gefühl, dass durch das Programm die Lernmotivation erhöht wird, Kompetenzen gefördert werden, die im Lehrplan der Schulen eine untergeordnete Rolle spielen, und sich die schulischen Leistungen verbessern. Das Besondere am System der beruflichen Aus- und Weiterbildung ist, dass die Student/-innen durch die Mobilität die Möglichkeit erhielten, von sehr gut organisierten Auslandspraktika in Unternehmen zu profitieren, wodurch sich ihre Job-Aussichten auf dem Arbeitsmarkt deutlich verbesserten.

Zweitens fördert das Programm die organisatorische Weiterentwicklung, was für Rumänien meiner Ansicht nach von großer Bedeutung ist. Erasmus+ hat dabei geholfen, die richtigen Kompetenzen im Bereich Projektbeschreibung und Projektmanagement zu entwickeln, und ich glaube, das Programm trägt heute immer mehr zur strategischen Entwicklung von Organisationen bei, die gelernt haben, sich einen Zugang zu verschiedenen europäischen Fördermitteln und Projekten zu verschaffen. Bei Erasmus+ liegt ein großer Schwerpunkt auf strategischen Ansätzen, insbesondere in der jetzigen zweiten Phase, wo es für Mobilität das neue Akkreditierungsparadigmenmodell gibt. Das ist für die rumänischen Organisationen ohnehin ein Lernschwerpunkt. Sie müssen ihre Aktivität besser planen und ihre Europa-Aktivitäten in die regulären Aktivitäten integrieren. Andererseits bauen die Organisationen über Erasmus nationale und internationale Netzwerke auf, was ebenfalls wichtig ist, da unser Bildungssystem ursprünglich eher auf Wettbewerb als auf Zusammenarbeit ausgerichtet war. Es ist also gut, dass wird diesen Rahmen haben, in dem Menschen ihre Ideen zusammenbringen, miteinander teilen und miteinander lernen können und die Möglichkeit haben, zusammen etwas Neues zu schaffen.

 

 

Außerdem habe ich persönlich folgende Erfahrung gemacht: In den Jahren 1994/1995 erhielt ich die Chance, in Reims, Frankreich, Mathematik zu unterrichten. Das war Teil eines bilateralen Kooperationsprogramms zwischen Rumänien und Frankreich. Ich unterrichtete an einer Schule, die traditionell einen Austausch mit Österreich und Deutschland anbot, und alle wussten, dass es bestimmte Monate im Jahr gab, in denen Schüler/-innen oder Lehrkräfte von den Partnerschulen kamen. Wie hängt das mit Ihrer Frage zusammen? Wir sollten uns in Erinnerung rufen, was uns ansonsten vielleicht nicht immer bewusst ist: Diese bilateralen Kooperationsprogramme, die es vor Erasmus gab, hätten niemals eine solche multikulturelle Offenheit verbreiten können, wie dies bei Erasmus+ der Fall ist. Kein Land hätte – weder allein noch über seine angestammten bilateralen Kooperationen – all diese Partnerschaften, die es nun bei Erasmus+ gibt, all diese Ergebnisse oder auch diese Art von Einfluss in den Gemeinschaften hervorbringen können.

Erasmus+ bildet den Rahmen und verfügt über die Ressourcen für diese multikulturelle Offenheit. Und in Rumänien gibt es kein anderes Programm mit dieser Fähigkeit, sodass die Begünstigten Erasmus+ als wichtigste Möglichkeit für Kooperation auf europäischer Ebene und sogar über Europa hinaus ansehen, vor allem mit Blick auf die neue Internationalisierung in der Hochschulbildung sowie im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung.

 

Welche Themen sind momentan besonders relevant für Ihre Arbeit?

Die nationale Agentur in Rumänien managt Erasmus+, das Europäische Solidaritätskorps sowie weitere EEA-Mittel. Unsere Arbeit hat so viele Facetten.

Wir wollen den Begünstigten eine positive Interaktion mit Erasmus+ bieten und das allein wäre schon ein Thema für sich. Daher befassen wir uns nicht nur mit einer einzigen, konkreten Sache. Es muss ein Gesamtpaket auf die Beine gestellt werden; das ganze System muss wie am Schnürchen laufen. Es ist wie ein Puzzle und es ist unser Ziel, alle Teile dieses Puzzles zusammenzusetzen: leicht zugängliche Informationen und einfache Kontaktaufnahme, effektive Unterstützung, effiziente (und funktionale) Tools für die Begünstigten, schnelle Antworten, zeitnahe Berichte und so weiter. All diese Elemente zusammenzukleben, ist schon eine Herausforderung für sich. Die verschiedenen Bildungsbereiche haben verschiedene Realitäten. Wir bekommen z. B. viele Projekte in der Schulbildung, tun uns bei der Mobilität in der Erwachsenenbildung hingegen noch schwer. Um die Qualität der Projekte zu verbessern, könnten wir unsere Partnerschaften im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung noch weiter optimieren. Außerdem wünschen wir uns eine höhere Mobilität von Student/-innen. Wir müssen uns also verschiedene Zielsetzungen und Maßnahmen überlegen.

Um Ihre Frage zu beantworten: Die (fristgerechte) Abarbeitung dieser täglichen Aufgaben nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Ich würde auch sagen, dass das Risiko besteht, dass wir zu viel administrative Arbeit bzw. zu viele Verwaltungsaufgaben haben und nicht genügend Zeit für die Lerninhalte selbst aufwenden können. Wenn man durch das sehr hohe Antragsvolumen (es gehen im Schnitt drei- bis viermal mehr Anträge bei uns ein, als wir finanzieren können), versagende IT-Tools und Deadlines überbeansprucht ist, läuft man Gefahr, dass die Lernaspekte, die Geschichten von Erasmus+ und auch die damit verbundenen Veränderungen und Auswirkungen untergehen. Wir versuchen nach wie vor, die Balance zu finden.

 

Außerdem haben wir als NA immer die Erasmus+-Prioritäten und -Themen als Bezugspunkte herangezogen. Wir versuchen, uns bei unserer Arbeit an den Prioritäten und der Ausrichtung des Programms zu orientieren. Unser Ziel ist es, strategisch an den horizontalen Prioritäten des Programms zu arbeiten. Einerseits möchten wir sie fördern und unseren Begünstigten Unterstützung und Lernkontexte anbieten. Andererseits wollen wir auch selbst etwas lernen.

Der relativ neuen Grünen Priorität, wie wir sie nennen, wird sehr viel Aufmerksamkeit zuteil und unsere Begünstigten widmen sich diesem Thema inzwischen vermehrt in ihren Projekten. Hinsichtlich des digitalen Wandels fangen wir bei uns selbst an, d. h., wir durchlaufen gerade intern einen Digitalisierungsprozess (der in digitalem Wandel münden soll) und versuchen, effizientere Lösungen für unsere Arbeit und unseren Dokumentenfluss zu bekommen. In Bezug auf Inklusion und Vielfalt haben wir uns darauf konzentriert, Organisationen anzusprechen, die mit Menschen arbeiten, die weniger Möglichkeiten haben, damit sie sich für Projekte bewerben. Das wird nach wie vor ein Schwerpunkt bleiben, aber wir müssen auch ergänzende Elemente und Unterstützung mit aufnehmen, wie etwa die bessere Verbreitung der Geschichten oder die Schaffung von thematischen Lernrahmen und Ressourcen. Und wird wir müssen uns selbst bei all diesen Themen ebenfalls als Lernende verstehen.

Kurzum: Es tut sich in verschiedener Hinsicht gerade einiges. Wie bei jeder anderen NA.

 

Gibt es besondere Herausforderungen im Bereich der Bildungspolitik und worin bestehen sie? Wenn es sie gibt, wie gehen Sie damit um?

Gibt es in der Bildungspolitik nicht immer Herausforderungen?

Ja, es gibt Herausforderungen. Rumänien arbeitet gerade an einem neuen Bildungsgesetzespaket und es gibt zahlreiche Debatten darum. (Leider konzentriert sich die öffentliche Debatte ziemlich häufig auf die Details oder auf die Form, statt auf den Inhalt). Wir haben uns an mehreren Diskussionen beteiligt und stehen mit unseren nationalen Bildungs- und Jugendbehörden in Kontakt, um unsere Einblicke aus Erasmus+ und dem Europäischen Solidaritätskorps zu teilen.

Wir wissen aus unserer letzten Zwischenbilanz, dass die Projektergebnisse direkt mit den europäischen Prioritäten und den konkreten Zielsetzungen in diesen Bereichen korrelieren. Vorläufig haben unsere Ergebnisse aber gezeigt, dass es keine Daten dazu gibt, inwieweit das Programm Erasmus+ zu den strategischen Zielsetzungen für Europa 2020 oder zum europäischen Rahmen für Jugend und Sport beigetragen hat. Oder auch zu nationalen politischen Entscheidungen.

Sowohl die Ansichten der während der Evaluierung konsultierten Entscheidungsträger als auch die Daten aus unserer Umfrage zeigen, dass die Prioritäten und Zielsetzungen von Erasmus+ von großer Bedeutung für die Prioritäten des rumänischen Systems für allgemeine und berufliche Bildung sind. In Rumänien besteht ein sehr großer Bedarf nach einer Unterstützung der Aktivitäten im Bereich allgemeiner und beruflicher Bildung, sodass jedes Erasmus+-Projekt potenziell einen Beitrag dazu leistet. 

Mit Blick auf eine Steigerung des Einflusses des Programms sollte dennoch ein Mechanismus zur Nutzung und Verbreitung optimierter Vorgehensweisen herausgearbeitet werden, um diese in nationalen strategischen Projekten einführen zu können.

Idealerweise sollten die nationalen und europäischen Maßnahmen und Prioritäten aneinander ausgereichtet sein und sich ergänzen, damit sie sich gegenseitig unterstützen. Und wir haben versucht, selbst einige Maßnahmen zu entwickelt. Beispielsweise haben wir in jedem Kreis Rumäniens eine Schulaufsicht. Insgesamt sind es 41. Mehr als 2/3 davon wurden bereits als Konsortialführer/-innen in der Schulbildung und im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung akkreditiert und jedes Jahr ändern sie die Schulen, die Teil des Konsortiums sind (sie gehen auf Schulen zu, die Erasmus+ ansonsten nicht ausprobieren würden).

Eine weitere Maßnahme und ein anderer Ansatz, um Synergien mit anderen nationalen Initiativen zu bilden, bestand darin, dass wir die lokalen Schulaufsichten ermutigt haben, jene Schulen in ihre Konsortien aufzunehmen, die bereits im nationalen Programm zur Verhinderung von Schulabbrüchen gelistet sind. So konnte das nationale Programm die Schulen bei der Implementierung der Maßnahmen gegen Schulabbrüche unterstützen und das Programm Erasmus+ wird die Mobilität von Lehrkräften für die Weiterbildung finanzieren.

Und zuletzt, auch wenn es dabei weniger um politische Maßnahmen geht als darum, ein Bewusstsein zu schaffen (das potenziell in politische Entscheidungen einfließen kann): Es gibt zwei nationale Wettbewerbe – European School und Made for Europe –, wobei die Beteiligung an Erasmus+ bei über 90 % liegt, d. h. die Sichtbarkeit für die Bereiche Schule und berufliche Aus- und Weiterbildung ist hoch.

 

Welches sind mit Blick auf die Mobilität die beliebtesten Zielländer?

Normalerweise Spanien und Portugal. Es kommt aber immer darauf an.

Bei der Mobilität im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung haben wir, wenn wir uns die Berichte für 2021 und 2022 anschauen, folgende Rangfolge: Spanien und Portugal mit jeweils über 3000 abgeschlossenen Mobilitäten, Zypern (mit über 900), Italien (mit fast 550) und Deutschland (mit über 450).

Bei der Schul- und Erwachsenenbildung haben wir Spanien (mit fast 1500 Mobilitäten), die Türkei (mit über 1100), Italien (etwa 900), Griechenland (über 600) und Portugal (fast 600). Für Deutschland sind es 468.

Bei der Hochschulbildung gibt es die meisten Mobilitäten in Ungarn (fast 2000), gefolgt von Italien, Frankreich und Spanien (etwa 1000–1300) und dann Deutschland (mit fast 800).

 

Welche der EU-Prioritäten werden von Partnerschaften in Ihrem Jahr am häufigsten gewählt?

Bei der Schulbildung waren im Jahr 2022 die am häufigsten angegangenen Prioritäten in Partnerschaftsprojekten die Entwicklung von Kernkompetenzen (58,88 %), Inklusion und Vielfalt (39,25 %) sowie Umwelt und Bekämpfung des Klimawandels (37,38 %). Bei kleineren Partnerschaften war die Situation ganz ähnlich, außer dass das Interesse an der Priorität Umwelt und Bekämpfung des Klimawandels (42,09 %) größer war.

Für Partnerschaften im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung waren die am häufigsten in Angriff genommenen Prioritäten der Beitrag zu Innovation in der beruflichen Aus- und Weiterbildung oder die Erhöhung der Flexibilität der Möglichkeiten im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung, das Angehen des digitalen Wandels durch die Entwicklung einer digitalen Bereitschaft, Resilienz und Fähigkeit oder auch Inklusion und Vielfalt. Die wichtigsten Themen dieser Anträge sind die Schaffung neuer, innovativer oder gemeinsamer Lehrpläne oder Kurse, die Entwicklung von Schulungen, digitalen Inhalten, Technologien und Praktiken oder die Umwelt und der Klimawandel.

Bei der Erwachsenenbildung war die am häufigsten gewählte horizontale Priorität der Partnerschaften Inklusion und Vielfalt (60 % der Projekte), gefolgt von digitalem Wandel (40 % der Projekte) und Umwelt und Klimawandel (30 % der Projekte). Die am häufigsten gewählte sektorspezifische Priorität war die Verbesserung der pädagogischen Fähigkeiten (60 % der Projekte). Bei kleineren Partnerschaften war die am häufigsten gewählte horizontale Priorität Inklusion und Vielfalt (47 % der Projekte), gefolgt von digitalem Wandel (23,5 % der Projekte) und Umwelt und Klimawandel (11,8 % der Projekte). Die am häufigsten gewählte sektorspezifische Priorität war die Schaffung und Förderung von Lernmöglichkeiten (52,9 % der Projekte).

Bei der Jugend war in den letzten Jahren Inklusion und Vielfalt eine besonders hoch bewertete Priorität.

Im Grunde spiegeln die Daten wider, was unser Bildungssystem braucht. In der Schulbildung werden am dringendsten Weiterbildungen für das Personal benötigt. Im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung sind es Innovationen. Bei der Erwachsenenbildung lag schon immer ein Schwerpunkt auf Inklusion und Vielfalt. Deshalb überraschen uns die Ergebnisse nicht.

 

Die europäische Zusammenarbeit innerhalb von Erasmus+ hat viele Vorteile. Worin besteht Ihrer Meinung nach bzw. mit Blick auf Ihre Projekte der konkrete Mehrwert durch die Möglichkeit, Mobilität oder Partnerschaften mit deutschen Institutionen aufzubauen?

Bis zu einem gewissen Grad zumindest, ich würde sagen, es ist der gleiche Mehrwert wie bei einer Partnerschaft mit jedem anderen Partner aus jedem anderen Land auch. Man ist mehr Perspektiven, mehr Erfahrungen und anderen Kompetenzen ausgesetzt. Ich glaube, das hängt stark vom Projektthema und den Zielsetzungen der Partner ab. Ich denke, bei allen Erasmus+-Projekten ist der Lernaspekt der wichtigste, deshalb müsste man die Frage stellen: Was können wir voneinander lernen? Was können wir zusammen aufbauen?

Den Organisationen aus allen Ländern liegen so viele Daten (beispielsweise durch Eurydice-Veröffentlichungen) zu anderen Bildungssystemen in Europa vor, dass sie auf Grundlage dieser gründlichen Dokumentation Entscheidungen treffen könnten. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das auch so gehandhabt wird. In meiner persönlichen Wahrnehmung hängt sehr vieles von den internationalen Kontexten ab, in denen die Organisationen einander kennenlernen, und davon, dass auf Worte Taten folgen. Außerdem spielen die Instrumente eine Rolle, die zur Verfügung stehen, um Partner zu finden. Und häufig liegt es auch an uns als NA oder als Europäischen Kommission, Kontexte zu schaffen, in denen sich unterschiedliche Organisationen begegnen, damit sie zusammen neue Ideen entwickeln können.

 

Wenn ich mich auf ein einziges Thema festlegen müsste, würde ich sagen, dass es für rumänische berufsbildende Schulen sicher sehr interessant wäre, von ihren deutschen Partnern etwas über deren Praktiken und das System der beruflichen Aus- und Weiterbildung an sich zu erfahren (wir haben in diesem Bereich in Rumänien noch viel Arbeit vor uns und Erasmus+ leistet einen wichtigen Beitrag hierfür).

 

Lassen Sie uns die Perspektive wechseln: Wie können deutsche Institutionen von der Zusammenarbeit mit einem Partner in Ihrem Land profitieren?

Meine Antwort ähnelt der vorherigen: Ich glaube, das ist tatsächlich bei allen Ländern gleich. Wenn die Partner ein Thema finden, etwas, was sie zusammen entwickeln wollen, wenn sie zusammen wachsen wollen, dann ist das Projekt Erasmus+ für beide Seiten attraktiv und bildet einen Rahmen für wechselseitiges Lernen. Ich hoffe, dass es uns inzwischen gelungen ist, die europäische Bildungsgemeinschaft in unseren Ländern und in Europa davon zu überzeugen, dass es überall Wertvolles zu lernen gibt und dass es überall Menschen gibt, von denen man etwas lernen kann. Das wäre eines der Argumente, vielleicht sogar das wichtigste: Man muss offen dafür sein, Neues zu lernen, zu entdecken und zu erschaffen. Es geht um unsere Einstellungen und unsere Offenheit. Auch um unsere Neugier.

Traditionell gibt es natürlich Länder, die stärker zusammenarbeiten (aus kulturellen Gründen, weil sie ähnliche Realitäten oder Probleme im Bereich der Bildung haben usw.). Und diese Kooperationen bleiben natürlich bestehen. Gleichzeitig ist es ein bisschen wie beim Reisen: Haben Sie sich schon mal abseits der ausgetretenen Pfade bewegt? Wenn man eine neue Partnerschaft aufbaut, ist es vielleicht ähnlich: Man gewinnt etwas Neues, manchmal muss man seine Komfortzone verlassen (es heißt ja, Magie gebe es nur jenseits der Komfortzone), aber das erweitert die Perspektive und bringt neue Realitäten, neue Themen und neue Kulturen mit sich.

Ganz am Anfang, als die europäischen Programme in Rumänien eingeführt wurden, hatte unsere Bildungsgemeinschaft, glaube ich, das Gefühl, dass man viel von anderen Ländern lernen kann. Das war (und ist noch immer) wahr. Was ist jetzt, 25 Jahre später, anders? Ich glaube, die Menschen, die in Rumänien im Bereich Bildung, Weiterbildung und Jugend tätig sind, trauen sich selbst inzwischen mehr zu, vertrauen auf ihre Erfahrung und wissen, dass sie selbst ebenfalls einen Mehrwert bringen.

Und letzten Endes sollten wir immer das große Ganze im Blick haben. Wir sollten uns immer das Gesamtbild anschauen: Es ist ein europäisches Programm und es sind europäische Zielsetzungen. Wir sollten alle versuchen, bessere Systeme für Bildung, Ausbildung und Jugend auf europäischer Ebene aufzubauen. Vielfältigere Verbindungen. Mehr wertvolles gemeinsames Lernen.